Rom

 

Reise 1: Rom der Renaissance und die Kunstgärten der Umgebung

Reise 2: Rom - auf der Suche nach Spolien

Reise 3: Rom - Orte und Bauten der ewigen Stadt im Wandel der Jahrtausende

 

 

Eine Exkursion nach Rom - Auf der Suche nach Spolien

Ein Stimmungsbild von Renate Schulz

 

Das Vorfeld

Rainer musste mich nicht lange von der Idee einer Reise nach Rom unter dem Motto Spolien überzeugen – das Thema ist spannend und ausserdem macht es mir grosse Freude Menschen durch die geliebte Stadt zu führen. Nur, wie hierfür Interessenten finden, wo doch kaum einer das Wort Spolien je gehört hat. Rainer fand sie, er hatte mit seinen Seminaren schon erste Aufklärungsarbeit betrieben.

Die Gruppe fand sich zusammen – hochkarätig besetzt!

 

Das Programm

Spolien waren unser Leitthema - Rainer erarbeitete 3 Touren durch die Stadt. Ich fügte hinzu, was mir auf dem Weg liegend passend erschien, sowie die etwas entspannenderen Ausflüge nach Ostia antica und zur Villa Hadriana. Aber bei aller Liebe zu den Spolien und zur alten römischen Geschichte sollten auch das „dolce vita“ und die touristischen highlights der Stadt nicht zu kurz kommen. So begann dann auch der erste Tag mit Klassikern wie Pantheon, Campo de Fiori, Spanische Treppe, Café Greco, Piazza del Popolo und endete bei …...nein, davon später.

 

Der zweite Tag – Spolienroute gelb

Der Vormittag war etwas aufgelockert, da ein Teilnehmer am Vormittag noch anreiste. Ein Teil der Gruppe stand als Empfangskomiteé am Bahnhof, der Rest vergnügte sich auf dem Markt – Fussballhemden kaufend, und ein wenig Proviat. Alsdann Treffpukt Colosseum. Von hier zum Triumphbogen des Konstantin, zusammengestellt aus diversesten Einzelteilen älterer Kunstwerke. Zur Erbauung nebenbei ein Hochzeitspaar, beim Fototermin für den schönsten Tag im Leben - vor Triumphbogen. Von hier über die Via sacra zügig!! durchs Forum romanum – nur „kurzer“ Halt an der Maxentius Basilika – an den Betonkonstruktionen wird rumgerätselt, an der Art der Römer Mauern zu bauen, und ob nicht doch der eine oder andere echt alte Ziegelstein zufällig lose rumliegt….Nur noch schnell in den Bau der Kurie, deren Tore brauchen wir nämlich für die Route rot. Mit ziemlich tief hängendem Magen nähern wir uns dem nächsten Objekt – SS: Cosma e Damiano. Vorher gibt es jedoch die eingekaufte Brotzeit – Weissbrot, Oliven, Artischocken und Käse – zwischen Trajanssäule, Monument des Vittorio Emanuele und der Piazza Venezia. Leider hatte die Reiseleiterin falsch angeführt – Cosmas e Damiano liegt hinter uns, also zurück; und jetzt ist zu! Welch ein Pech, wir müssen uns eine halbe Stunde ins Cafe setzen. Nach Cosmas e Damiano hoch zum Kapitoslhügel, kurzes Loblied auf Michelangelos geniale Platzgestaltung, rein zu Santa Maria in Aracoeli, Spolien, wohin das Auge blickt – sehr hervorzuheben die Kanzel zusammengestöpselt aus allen möglichen Marmorteilen– vorne hui, hinten pfui. Einige von uns ziehen nun die Ruhe und das Hochlegen der Füsse weiterer Spoliensuche vor. Der harte Kern macht weiter: nach kurzem Geniessen der Aussicht vom rückwärtigen Kapitolshügel – Treffpunkt der Schwulen - in Richtung der sich senkenden Sonne werden noch San Giorgio in Velabro, der Bogen der Geldwechsler, S. Maria in Cosmedien, der Vesta Tempel und der Tempel fortuna virilis – der männlichen Glückseligkeit – mitgenommen. Der Tag endet im ehemals jüdischen Ghetto.

 

Der dritte Tag – Sonntag!

Die Sonne scheint, Ostia antica steht auf dem Programm. Die naive Reiseleiterin denkt, dafür reicht ein halber Tag, sodass wir vormittags noch den Petersdom mitnehmen können. Hier wird fast alles geboten – die einen steigen in / auf die Kuppel, die anderen bejubeln den Papst, der um 12.00 Uhr mittags aus seinem Fenster grüsst – und alle begrüsst, nur nicht die Spoliengruppe! Dieses Versäumnis wird der Reiseleitung schwer angekreidet. Alles dauert doch wieder länger als man denkt, jetzt aber schleunigst nach Ostia. Mittagessen heute auf einer anderen belebten Strassenkreuzung vor der Pyramide des Cestius. Endlich in Ostia antica der alten Hafenstadt angekommen – beginnt die Jagd nach Ziegelstempeln, es werden auch welche gefunden, die Freude ist gross. Andere wiederum kriechen in den Hypokaustenheizungen herum, untersuchen Fussboden- und Wandkanäle… Mit Müh und Not schaffen wirs gerade bis zur Mitte der Anlage als mit Trillerpfeifen und Hunden die letzten Besucher aus der Anlage getrieben werden. Wunderschöne Mosaike, Amor und Psyche, so vieles bleibt uns vorenthalten - bis zum Wiederkommen.

 

Der vierte Tag – Spolienroute rot

Regen – aber nicht irgendeiner, sondern römischer Schnürlregen, der in kurzer Zeit Sturzbäche und Seen auf die Strassen zaubert und sogar eingeschworene Schrimgegner weich werden lässt und dem Pakistani doch ein seriöser Faltschirm in schwarz abgekauft wird. Gut, dass man sich mit den Preisen schon einigermassen auskennt, denn diese werden versuchsweise der Heftigkeit des Regens und dem Ort des Verkaufs angepasst. Der geplante Spaziergang an der Aurelianischen Stadtmauer wird mangels Schwimmflossen für alle storniert, damit auch Santa Croce in Gerusalemme. Erste Etappe ist die Scala Santa, die Heilige Treppe, auf der Jesus zu Pontius Pilatus hinaufgestiegen sein soll und auf der nun gläubige Katholiken den Rosenkranz betend auf Knien hinaufrutschen. Danach die Taufkapelle von San Giovanni in Laterano – Spolien, schon am Eingangstor – Pfusch im höchsten Grade sagt der seriöse Handwerker – diese Römer, kaum zu glauben was die sich getraut haben. Die Kirche San Giovanni selbst – gross, ziemlich barock überdekoriert. Hier sind die beiden Bronzetore der Kurie eingebaut, die wir ja schon als Replik kennengelernt hatten. Nach dem Besuch im alten Klosterkreuzgang treibt es uns schon sehr zu einem warmen Ort, an dem es was zu essen gibt. Durch den Regen rennend retten wir uns zu Luzzi, wo wir am Vorabend schon sassen. Nach kurzer Wartezeit im Freien wird ein Tisch für uns gedeckt, ein flüchtender Kellner wird zurückgepfiffen – er bedient uns trotzdem ausgesprochen nett. Gut gesättigt kann es jetzt zu San Clemente, dem Höhepunkt des Tages gehen. Drei Geschosse und drei Epochen von Kirchen- und Stadtgeschichte liegen hier übereinander.

 

Der fünfte Tag

Gott sei Dank – vielleicht haben auch die gespendeten Kerzen geholfen – der Regen hat aufgehört, die Sonne scheint. Heut soll es doch nach Tivoli zur Villa Hadriana gehen. Zwei klinken sich aus, wollen ein bisschen schauen ob sich geschäftliche Beziehungen knüpfen lassen. Der Rest fährt mit U-Bahn und Bus über Land nach Tivoli. Es ist schon wieder Mittagessenszeit. Da wir keine eingeschweissten Gummitramezzini wollen, wird noch kurz vor Ladenschluss ein wenig „Brotzeit“ eingekauft. Gut gerüstet geht’s in die Anlage. Hadrians Wochenendsitz, wenn er gerade mal in Rom weilte – er war viel auf Reisen in seinem Reich, es erstreckte sich entlang des gesamten Mittelmeeres, einschliesslich Persien, Grossbritannien…Hadrian, der als der Philosoph auf dem Kaiserthron bezeichnet wird hat hier einen ganz besonderen Ort geschaffen – mit Thermen, Wasserbecken, Bibliotheken, allem was das Kaiserherz begehrte. Bei warmem Sonnenschein lassen wir uns oberhalb des Kanopus – Beckens zu einem „bescheidenen“ Mahl in der Campagna nieder. Bis Sonnenuntergang bleibt uns Zeit die Welt des Hadrian zu erahnen. Wieder mal als letzte verlassen wir die Villa und fahren mit dem Bus den Berg hinauf zum Ort Tivoli. Rom in seiner ganzen Grösse, mit all seinen Lichtern liegt uns zu Füssen. Kurzer Gang durch die Altstadt, Apperitivo im Hinterzimmer einer höchst charmanten Bar - Wurzelfurnierimitat auf den Tischen, Neonlicht an der Decke – aber eine heisse Schokolade, die ihresgleichen sucht.

 

Der sechste Tag – Spolienroute blau

Der Tag steht im Zeichen der Heiligen Agnes. Gleich nach dem Frühstück geht es zu Berninis Spätwerk,

Sant` Agnese in Agonia – von einigen wird die Skulptur unter dem Motto Erotik in der christlichen Kunst geführt. Danach wenden wir uns wieder unserem Thema, den Spolien zu. Die Thermen des Diokletian sind unser Ziel – mit all den Veränderungen, die sie im Laufe der ungefähr 1700 Jahre erfahren haben. Ein Eckraum wurde zur Kirche – San Bernardo - ,ein anderer, achteckiger Saal wurde zum Planetarium und heute zum Ausstellungsraum für Skulpturen. Im ehemaligen Caldarium und Frigidarium, bzw. Schwimmbad liegt heute eine Kirche – Santa Maria degli Angeli – von keinem geringeren als Michelangelo im Auftrag der Päpste in die Thermen hineingebaut. Das heutige Thermenmuseum wiederum liegt in der, ebenfalls von Michelangelo errichteten Kartause. Orte als Spolien.

Die offizielle Tour ist mit dem Besuch des Museums beendet. Ein Teil will jedoch noch mehr von der Hl. Agnes wissen und begibt sich zur Anlage der Sant` Agnese alla Nomentana. Hier das Mausoleum der Costanza, der Tochter von Konstantin, eine glühende Verehrerin der Hl. Agnes. Das Mausoleum, ein perfekt erhaltener Rundbau mit Mosaiken auf dem Ringgewölbe. S. Agnese, eine Kirche aus dem 6. / 7. Jahrhundert erbaut mit „antiken“ Säulen – Spolien würden wir sagen!! Unter dem ganzen Komplex Katakomben – mit den Resten der Hl. Agnes. Wer war nun diese Hl. Agnes – eine frühe Christin, die sich weigerte einen Heiden zu heiraten. Hierfür wurde sie zum Tode verurteilt und gleich doppelt umgebracht: verbrannt und geköpft und das geschah auf der heutigen Piazza Navona, an der Stelle der Kirche Sant` Agnese in Agonia. Früher war die Piazza Navona das Stadion des Domitian.

Nach einem kurzen Abstecher auf den Gianicolo um den abendlichen Apperitivo mit Blick auf die Stadt einzunehmen kommen wir auf dem Weg zu unserem Abendrestaurant auch noch an dieser vorletzten Station der Hl. Agnes vorbei.

 

Der siebente Tag – der letzte

Wünsche haben sich angesammelt, was der eine oder die andere noch machen möchte. Heute ist es möglich. Erstaunlicherweise bleibt jedoch fast der ganze Tross beisammen. Zuerst Piazza del Popolo und die Kirche Santa Maria del Popolo – wo einst Luther auf seiner Italienreise wohnte und die Messe las, Grablege für viele Päpste, Bilder von Caravaggio. Besuch des Etruskischen Museums in der Villa Giulia. Sowohl Bau und Anlage der Villa, als auch die Exponate sind äusserst beeindruckend – wir runden unser Bild von den Römern, die ja eigentlich im Bereich der Kunst nichts eigenes vorzuweisen haben, zu deren ungunsten ab. Etwas angeschlagen vom Vorabend schleppen wir uns durch die Villa Borghese zur Spanischen Treppe – nochmal Blick über die Stadt, weiter zum letzten Muss: di Fontana di Trevi. So recht mag die Stimmung der badenden Anita Eckberg im Touristenviertel nicht aufkommen. Aber pflichtbewusst werden auch von uns Münzen im Brunnen versenkt, schliesslich wollen wir ja wiederkommen – und das sichert man sich hier mit dem Münzeinwurf! Der Tag und die Belastbarkeit der Füsse neigen sich dem Ende zu - noch einen Kaffee und dann zurück zum Hotel. Um neun fährt der Zug.

 

Das Kulinarische und Theatralische

Wie bereits angedeutet – schon am ersten Abend fanden wir den Weg zu einem Restaurant der ganz besonderen Art. Da Ugo e Maria! Eine ganz einfache Trattoria im Herzen der Altstadt. Ugo, Maria und Anna zelebrieren hier jeden Tag auf ihre Weise etwas, wofür es kein richtiges Wort gibt: Ihr Lokal ist ihre Wohnung, ihre Welt, zeitweise auch die der zahlreichen Stammgäste, auch mancher Touristen, sie lassen alle teilhaben an ihrem Leben, ihrer Art miteinander umzugehen, mit den Gästen umzugehen, ein Theater - man sitzt mitten drin und ist ein Teil davon. Und überdies gibt es auch noch köstliche Speisen und Wein zu äusserst günstigem Preis.

Ich wage einen Versuch, diese Familie zu beschreiben:

Maria, hoch gewachsen (zumindest um einiges grösser als der zarte Ugo), stämmiger Oberkörper auf schlanken Beinen. Das Gesicht eher verhermt, mürrisch dreinblickend, nur der Ansatz eines Lächelns von ihr macht schon glücklich. Maria herrscht in der Küche (und wer weiss wo sonst noch), schwingt die Pfannen und Töpfe – und wehe ein Gast hat etwas auszusetzen an ihrer Kochkunst, dann kann es vorkommen, dass Maria die Küche verlässt und persönlich die Angelegenheit klärt – wohl dem, der nicht der meckernde Gast ist, sondern nur Voyeur.

Ugo, eher klein, schmächtig, weisses Haar, freundliche Augen, freundliches Wesen, stets bereit die Gäste mit Besteck, Brot, Wasser und Wein zu versorgen. Der Wein wird auf eine ihm eigene, besondere Weise dekantiert – ganz konnten wir das Geheimnis seiner Mischungen nicht ergründen, aber sie schmeckten stets hervorragend und bekamen gut. Eine der Hauptaufgaben Ugo`s ist die Überwachung der Toiletten, die über den Hof zu erreichen sind – er ist der Herrscher über den Lichtschalter zum Hof. Energie wird hier nicht verschwendet, das Licht wird individuell für jeden an- und wieder ausgeschaltet.

Anna, die Tochter der beiden. Für uns nicht vorstellbar, wie eine junge Frau so etwas aushält. Anna macht alles, was Ugo und Maria nicht tun. Sie nimmt die Bestellungen auf, serviert, deckt ab, schreibt die Rechnungen – in enger Absprache mit Ugo – nimmt auch schon mal die Nudeln aus dem Topf, wenn Maria gerade nicht dazu kommt. Anna rennt mit hochrotem Gesicht und weisser Schirmmütze über dem Pferdeschwanz, zwischen der Küche und den ca. 50 Gästen hin und her. Und im regelmässigen Abstand erschallt ein vorwurfsvolles „Aannna“ von Ugo durch den Raum – hier fehlt vielleicht ein Besteck, oder Anna hat jemanden übersehen oder etwas falsch plaziert.

Soweit die Hauptdarsteller des Stückes – auf die anderen kann nicht im Detail eingegangen werden, der Monsignore mit seinem jungen Freund, der Herr von der Schifffahrtsgesellschaft mit der Geliebten und ihrem Sohn….nicht zu vergessen sei jedoch der Mandolinenspieler – verwachsen mit seinem Instrument, wie er die Caprifischer für uns deutsche Touristen interpretiert (das Stück vom Postminister aus Sorrent)

Aber: Man kann auch essen in diesem Restaurant und zwar sehr gut. Glücklicherweise waren wir zur Artischockenzeit hier, sodass die carciofi alla romana zur Lieblingsvorspeise wurden. Bei Ugo e Maria gibt es diese Spezialität nochmal auf ganz besondere Art, die auch nur ( von Anna! ) ausgewählten Gästen zuteil wird – der carciofo romanesco errectus! Man kann auch trinken in diesem Restaurant – erst 2 Liter, dann 4 Liter und schliesslich ungefähr 6 Liter – hier versagte letztendendes die Kontrolle auf allen Seiten. Mit Penetranz haben wir dieses Lokal besucht, sodass wir schliesslich in den Kreis der passagären Stammgäste aufgenommen wurden – und ein Lächeln von Maria bekamen.

Nach dem 6 Liter Abend war es dann so spät, dass die Metro schon geschlossen hatte. Nun blieb die Wahl zwischen Taxi und Fussmarsch. Da bestens gestärkt entschlossen wir uns zu Fuss über die nächtliche Via Veneto zum Hotel zu marschieren. Und es ging mit der „Schwäb`sche Eisebahne“ ohne Zwischenhalt für ein „Jause“ im Cafè de Paris ganz locker und leicht dahin.

 

Zum Schluss – der Römer an sich….

Wir haben viel erfahren und erlebt in dieser gemeinsamen Woche. Jeder hat auf angenehme und unspektakuläre Weise sein Wissen beigetragen, was uns alle reicher gemacht hat. Wir kamen ihnen ein bisschen näher, den Römern an sich – stellten fest, dass die Kunst, die wir hier bewundern nicht ihr Werk ist, sondern ihrem Geschick entspringt die Kunst anderer zu übernehmen, zu transformieren und gelten zu lassen. Das macht sie sehr sympatisch die Römer, sie liessen vieles gelten, auch jede Menge Götter – zumindest lange Zeit. Irgendwie leben die Römer auch heute noch so. Es stört sie kaum, dass in ihrer Stadt der Papst sitzt - sie leben mit ihm, sie leben von ihm, aber sie leben ihr Leben.